15. Oktober 2024

Interview mit dem neuen GLÜG-Direktor Stefan Korte: „Barrieren sind deutlich kleiner geworden“

Prof. Stefan Korte aus Speyer ist neuer geschäftsführender Direktor des Instituts für Glücksspiel und Gesellschaft (GLÜG) und damit Nachfolger von Gründungsdirektor Prof. Julian Krüper. Im Interview mit den GLÜG-Förderern WestLotto und dem Verband der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) spricht Korte über seinen Forschungsansatz, den Konflikt von staatlichen und privaten Glücksspielanbietern sowie seine Pläne für das Bochumer Institut.

Herr Korte, herzlichen Glückwunsch zur Ernennung zum geschäftsführenden Direktor des Instituts GLÜG! Wie sind Sie eigentlich zum Thema Glücksspiel gekommen?

Vielen Dank, ich freue mich sehr über die neue Position und die damit verbundenen Chancen, aber auch Herausforderungen! Bereits seit der Jahrtausendwende beschäftige ich mich mit dem staatlichen Glücksspielwesen – zunächst im Rahmen meines Promotionsvorhabens, danach dann immer wieder aufgrund von verschiedenen Aufsatzprojekten und eines gemeinsam mit Prof. Dr. Ihno Gebhardt herausgegebenen Handbuchs. Mein Forschungsansatz ist interdisziplinär orientiert, vor allem in Richtung der Wirtschaftswissenschaften – genauso wie die Arbeit des GLÜG bisher ausgerichtet ist. Deshalb reizt mich die Aufgabe, künftig als geschäftsführender Direktor des GLÜG tätig zu sein, sehr!

Das GLÜG hat sich seit seiner Gründung 2019 als wissenschaftliche Stimme im Glücksspielmarkt etabliert. Welche Ziele verfolgen Sie in Ihrer neuen Funktion?

Meine Zielsetzungen für die nächste Förderperiode knüpfen an die bisherigen nahtlos an. Auch mir geht es darum, das Glücksspielrecht mit Hilfe eines inter- und intradisziplinären Ansatzes rechts- und nachbarwissenschaftlich zu begleiten. Infolge der weitgehenden Marktöffnung wird es insoweit in den künftigen Jahren weniger um etwaige Zugangsrechte interessierter Unternehmen, als vielmehr um das administrative „Wie“ der rechtlichen Marktgestaltung gehen. Ein besonderes Augenmerk liegt insoweit auf den für die Kanalisierung des Spieltriebs erforderlichen Rahmenbedingungen. Zudem werden wir uns in der künftigen Förderperiode der Evaluierung des GlüStV widmen.

Wird es auch Änderungen geben?

Das GLÜG habe ich in den vergangenen Jahren als agiles, inter- und intradisziplinär agierendes Institut wahrgenommen, dem es vor allem darum ging, die doch recht eingefahrenen und starren Barrieren zwischen staatlicher Glücksspielentität und Privatwirtschaft zu überwinden. Zwar machen sich hier und da immer noch die Auswirkungen früherer Grabenkämpfe bemerkbar, jedoch ist die Kooperationsbereitschaft zwischen staatlichen und privaten Akteuren deutlich größer, etwaige Barrieren sind deutlich kleiner geworden. Das ist ein wesentlicher Verdienst der Arbeit des GLÜG und das zeigt: Diese Sachlichkeit aus der Wissenschaft braucht der Glücksspielmarkt. Diesen Weg will ich in den nächsten Jahren weitergehen, sodass die Schwerpunkte des GLÜG in der Hauptzielrichtung bleiben. Freilich werden sich die konkreten glücksspielrechtlichen Arbeitsgebiete des GLÜG an den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen orientieren – so etwa der Evaluierung des GlüStV.

Sie sind Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer in Rheinland-Pfalz und damit erstes und einziges Direktoriumsmitglied des GLÜG, das nicht aus Nordrhein-Westfalen stammt. Welche Chancen ergeben sich aus dieser Öffnung ins Nationale oder sogar Europäische bzw. Internationale?

Das geltende Glücksspielrecht ist ein hybrides Konstrukt aus landesrechtlichen, länderstaatsvertraglichen und bundesrechtlichen Regeln, die noch dazu unter einem stark prägenden Einfluss des Verfassungs- und Unionsrechts stehen. Schon deshalb lohnt sich neben dem nordrhein-westfälischen auch ein nationalerer Blickwinkel. Speziell für die DUV Speyer kommen deren starke Anbindung an die Verwaltung aller Bundesländer sowie des Bundes – es handelt sich um die Träger der Hochschule – hinzu. Da die Hochschule zudem speziell auch auf die Fortbildung der Verwaltungsmitarbeiter:Innen ausgerichtet ist, bietet sich dem GLÜG insoweit eine weitere Chance der rechtswissenschaftlichen Wahrnehmung – etwa durch Etablierung entsprechender Foren bzw. Tagungen. Die europäische bzw. internationale Dimension des Glücksspielrechts bediene ich schon infolge meines europarechtlichen und auf das internationale Wirtschaftsrecht ausgerichteten Forschungsschwerpunkts. Hinzu kommt aus einer spezifisch rechtsvergleichenden Perspektive, dass an der DUV Speyer seit jeher und auch künftig intensiv rechtsvergleichend geforscht wird – auch insoweit ließen sich speziell glücksspielrechtliche Fragestellungen behandeln.

Mehr zu Prof. Stefan Korte auf den Seiten der DUV Speyer.

Die Partner WestLotto und VDAI finanzieren das GLÜG auch in der zweiten Förderperiode über fünf Jahre. Wie sehen Sie mögliche Kritik, dass es einen Konflikt zwischen unternehmerischer Einflussnahme und unabhängiger Glücksspielforschung geben könnte?

In den vergangenen Jahren war ich vom früheren Direktorium mehrfach zu Veranstaltungen eingeladen und um die Anfertigung glücksspielwissenschaftlicher Beiträge gebeten worden. Hätte ich während dieser Zeit den Eindruck gewonnen, es ginge bei der Arbeit des GLÜG um Gefälligkeitsforschung, würden wir hier kein Interview führen. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Es gab aber auch in den Vertragsverhandlungen niemals Ansätze der Förderer, die Unabhängigkeit des GLÜG infrage zu stellen. Deren Bewusstsein dafür, dass eine überzeugungskräftige Glücksspielwissenschaft nur unabhängig funktionieren kann, habe ich als sehr hoch wahrgenommen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die Organisationsstruktur der beiden Förderer, da es sich um ein öffentliches Unternehmen und einen privaten Wirtschaftsverband handelt, gerade zeigt, dass es in der Arbeit des GLÜG nicht um einseitige Gefälligkeit geht, sondern um eine objektive (rechts-)wissenschaftliche Begleitung des Glücksspielwesens.

Das GLÜG hat in den vergangenen Jahren einige neue Formate in der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt, wie z.B. die erfolgreichen Forschungswerkstätten. Wie geht es damit weiter?

Die Forschungswerkstätten haben sich etabliert und werden weitergeführt, auch weil sie dem GLÜG die Möglichkeit bieten, schnell auf aktuelle Problemstellungen mit wissenschaftlichem Input zu reagieren. Um die Stärken der DUV Speyer und des GLÜG zu verbinden, denke ich derzeit darüber nach, eine Tagungsreihe ins Leben zu rufen, die sich unter dem Rubrum „Speyerer Forum zu Glücksspiel und Gesellschaft“ mit den praxisrelevanten Themen des Glücksspielrechts aus einer inter- und intradisziplinären Perspektive auseinandersetzt und so versucht, die Entscheidungsträger aus Verwaltung und Privatwirtschaft mit Wissenschaftlern, die sich mit dem Glücksspielwesen befassen, zusammenzubringen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wissenschaftlich spannenden und interessanten Schwerpunkte, mit denen sich die Forschung zum Thema Glücksspiel in den kommenden Jahren auseinandersetzen sollte?

Wie bereits angedeutet wird das GLÜG in den nächsten Jahren unter anderem die Evaluation des GlüStV wissenschaftlich begleiten – so etwa im Bereich des weitgehend zugelassenen Internet-Glücksspiels. Darüber hinaus wird sich die Forschungsaktivität weg von Fragen des Marktzugangs hin zu Fragen des Marktverhaltens entwickeln. So sind namentlich das Recht der Glücksspielvermittlung, das Recht der Glücksspielbesteuerung oder das Recht des gewerblichen Spiels (auch) im Internet Themen, deren Aufarbeitung nur im Verbund der wissenschaftlichen Disziplinen gelingen kann.