18. Dezember 2024

Die WestLotto-TopTalente 2024: Eiskunstläuferin Anna Gerke

Sport ist viel mehr als nur Medaillen: Unter diesem Leitgedanken fördern WestLotto und der Landessportbund NRW die „Toptalente des Leistungssports“ in Nordrhein-Westfalen. Bis zu acht Nachwuchstalente aus verschiedensten Sportarten werden jährlich auf ihrem Weg in den Spitzensport unterstützt und stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Für Eiskunstläuferin Anna Gerke Kunstradfahrerin sind ihr Ehrgeiz und Perfektionismus die größte Motivation. Die dreimalige Deutsche Nachwuchsmeisterin vom ERC Westfalen stand schon im Alter von drei Jahren auf dem Eis und hat sich stetig weiterentwickelt. Das Interview erschien zuerst im LSB-Magazin Wir im Sport.

Kunstvolle Ausführungen von Sprüngen, Pirouetten und Schritten sind schon am Boden eine große Herausforderung. Wie groß ist der Unterschied, auf dem Eis zu performen?

Tatsächlich ist es meiner Meinung nach auf dem Eis deutlich leichter. Auf dem Trockenen habe ich nicht den Schwung und den Flow, den ich auf dem Eis habe. Dadurch gelingen die Sprünge auf dem Eis meistens deutlich einfacher. Zum Beispiel mache ich auf dem Trockenen nur Zweifach- oder Zweieinhalbfachsprünge. Auf dem Eis klappen dann meistens schon mehr. Drei Umdrehungen sind möglich.

Wie werden die Sprünge geübt?

Erstmal zum Verständnis: Es gibt sechs Sprünge im Eiskunstlauf: Toeloop, Flip, Lutz, Axel, Rittberger und Salchow. Diese Sprünge gibt es in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, von einfach bis vierfach. Beim Einfachsprung macht man eine Umdrehung in der Luft, beim Vierfachsprung sind es vier. Ich habe angefangen, meine ersten Einfachsprünge zu lernen, als ich gerade mal die Basics konnte: ein paar einfache Pirouetten, mich drehen, in die Hocke gehen – solche Sachen.

Als ich dann alle Einfachsprünge konnte, begannen wir, Doppelsprünge zu üben. So entwickelt sich das. Mittlerweile beherrsche ich die Dreifachsprünge und fange an, Vierfachsprünge zu üben. Das ist sehr schwierig. Wir versuchen den vierfachen Toeloop und den vierfachen Salchow, in der Hoffnung, dass einer der Sprünge klappt.

Welcher Musikstil liegt dir persönlich am meisten für eine Choreografie auf dem Eis?

An erster Stelle entscheiden meine Trainer und die Choreografin, welche Musik ausgewählt wird. Meine Trainerin Martina Dieck, die Choreografin Viktoriia Lopusova und mein Co-Trainer Aliaksei Mialiokhin versuchen, meine Persönlichkeit und das, was mir liegt, gut einzubinden. Da habe ich großes Vertrauen. Natürlich habe ich auch Mitspracherecht, aber mit dreizehn Jahren bin ich noch nicht so weit, dass ich selbst ein Musikstück auswählen kann. Moderne Lieder hören sich auf dem Eis oft nicht gut an, da die Beats meistens abgehackt sind und beim Eiskunstlaufen viel geglitten wird. Da wählt man eher klassische Musik oder Filmmusik. Ich finde, dass ich den Stil von sehr starken und emotionalen Stücken gut verkörpern kann.

Woher nimmst du die Motivation, Eiskunstlauf als Leistungssport zu betreiben?

Der Sport steht in unserer Familie an erster Stelle. Meine kleine Schwester ist ebenfalls Eiskunstläuferin. Für diesen Sport wird oft vieles hintenangestellt. Ich finde es persönlich gut, dass wir alle diesen Sport so leben, denn dadurch habe ich jeden Tag die Möglichkeit, einhundert Prozent zu geben. Das motiviert mich!

Wie kälteresistent muss man in dieser Sportart sein?

Mir ist grundsätzlich immer kalt – nur nicht auf dem Eis. In der Eishalle ist es natürlich kälter als draußen, doch durch die Bewegung merkt man die Kälte nicht.

Mehr über alle Toptalente finden Sie auch hier.

Wie sieht die Unterstützung von deiner Familie aus?

Ich fange mal mit meinem Vater an: Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Mit drei Jahren hat er mir das Eislaufen beigebracht und begleitet mich seitdem immer. Er war auch Eiskunstläufer und kann mir deshalb bei manchen Dingen helfen. Das bedeutet mir sehr viel. Er kann mich auch im richtigen Moment pushen und mir sagen, was ich gut gemacht habe und was ich verbessern kann.

Meine Mutter unterstützt mich bei allem außerhalb des Eiskunstlaufs. Sie hilft mir auch mental, wenn etwas nicht geklappt hat, und ist immer für mich da. Sie unterstützt mich auch sehr viel bei der Schule. Mir fehlt oft die Zeit, den Schulstoff allein zu verstehen, wie andere Kinder es können. Wenn ich am Abend erst gegen sieben oder acht Uhr zu Hause bin, schaffe ich es nicht, mich nochmal hinzusetzen und die Themen selbst zu erarbeiten. Dann brauche ich Erholung, weil der Tag sehr anstrengend ist. Um 22 Uhr gehe ich ins Bett und schlafe.

Und deine kleine Schwester Emma, schaut sie zu dir auf?

Ich denke schon, dass ich ein Vorbild für meine Schwester bin.

Einer deiner größten Erfolge war der sechste Platz bei deinem Junior-Grand-Prix-Debüt in Riga. Damit hast du dich auch für Ljubljana qualifiziert, wo du dein Punkteergebnis toppen konntest. Was war so besonders daran?

Vor dem Sichtungslauf in Berlin war ich verletzt. Ich glaube, ich hatte nur etwa dreieinhalb bis vier Wochen, um wieder in Form zu kommen. Wir sind zu diesem Testlauf Ende Juli eigentlich ohne große Erwartungen gefahren, und es lief erstaunlich gut. Das hatte keiner von uns erwartet. Den allerersten Grand Prix zu bekommen und dann noch den zweiten Grand Prix in Ljubljana – das war ein toller Erfolg.

Wann wusstest du, dass du Leistungssportlerin werden würdest?

Ich denke, diesen Moment gab es nie wirklich. Es war ein langer Weg. Mit ersten Erfolgen machte es mir immer mehr Spaß. Je mehr Erfolge kamen, desto motivierter wurde ich. Mit der Zeit habe ich mich so daran gewöhnt, dass ich mir ein Leben ohne Eiskunstlaufen gar nicht mehr vorstellen kann.

Wofür interessierst du dich neben dem Eiskunstlauf? Was machst du zu Hause gerne?

Zu Hause mache ich gerne handwerkliche Dinge: Ich male, arbeite mit Ton oder bastle mit Karton. Ich falte gerne Origami und habe auch schon Kerzen gegossen. Das macht mir sehr viel Spaß. So können mein Körper und mein Geist am besten entspannen – viel besser, als vor dem Fernseher zu sitzen.

Was bedeutet Glück für dich?

Im Sport ist Glück für mich, wenn ich weiß, dass ich alles gegeben und mich an mein Limit gebracht habe. Aber wenn die Konkurrenz einfach so stark ist, dass ich trotz perfekter Leistung nicht besser abschneide, dann ist das in Ordnung.

Und privat, was würde dich glücklich machen?

Einfach mal frei zu haben und abschalten zu können, das macht mich glücklich. Zu wissen, dass ich neben dem Eiskunstlauf auch noch ein anderes Leben habe.

Das Interview erschien zuerst im Magazin Wir im Sport des LSB NRW // Fotos und Video: © LSB NRW / Bowinkelmann