27. Juni 2024

Die WestLotto-TopTalente 2024: Kunstradfahrerin Antonia Blome

Sport ist viel mehr als nur Medaillen: Unter diesem Leitgedanken fördern WestLotto und der Landessportbund NRW die „Toptalente des Leistungssports“ in Nordrhein-Westfalen. Bis zu acht Nachwuchstalente aus verschiedensten Sportarten werden jährlich auf ihrem Weg in den Spitzensport unterstützt und stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Für Kunstradfahrerin Antonia Blome ist ihr Sport Familiensache und die beste Gelegenheit, um Freundschaften zu knüpfen – und um zu zeigen, was in ihr steckt: Blome errang mit angebrochenem Fuß den deutschen Meistertitel. Das Interview erschien zuerst im LSB-Magazin Wir im Sport.

Wie hast du Kunstradfahren entdeckt?

Über meine Mutter, die früher selbst gefahren ist und im Verein war. Dann wurde sie Trainerin und ich bin quasi in die Halle reingeboren, also ich war schon als Baby dabei, egal, ob bei Wettkämpfen oder beim Training. Sobald ich dann groß genug für ein Fahrrad war, durfte ich selbst fahren. Mit fünf Jahren bin ich erst aus Spaß gefahren, aber richtig gestartet habe ich mit sechs Jahren.

Deine Mutter ist auch deine Trainerin…

(lacht) Eigentlich ist das sehr schön, aber natürlich gibt es auch mal Streitereien, die wir von zu Hause mit in die Halle nehmen.

Aber an sich ist es toll, weil wir einfach diese Verbindung haben, die ich zu einem anderen Trainer nicht hätte. Sie kennt mich viel besser, als wenn ich nur eine fremde Sportlerin wäre. Und wir können auch zu Hause immer über das Training reden, es ist immer ein Bezug da.

Was fasziniert dich an dieser Sportart?

Es sieht unfassbar schön aus und ist cool, was man mit dem Fahrrad machen kann. Die Sportart ist facettenreich, gerade in Bezug auf die Kunststücke, die auf dem Kunstrad möglich sind – das beeindruckt mich einfach.

Was sind die wichtigsten Grundlagen und Techniken, die man als Kunstradfahrerin beherrschen muss?

Ich kann auf dem Fahrrad stehen, entweder auf dem Lenker oder auf dem Sattel. Du kannst aber auch rückwärts treten, das Fahrrad hat keine Bremse, sondern eine direkte Übersetzung oder man macht einen Handstand auf dem Lenker. Es gibt auch Übergänge, heißt, man geht von der einen Übung direkt in die nächste oder macht eine Pirouette. Dabei dreht man sich mit dem Fahrrad auf der Stelle. Für das Kunstradfahren generell ist eine Körperspannung für Stabilität wichtig, genauso wie Kraft, um zum Beispiel in den Handstand zu kommen. Gedehnt zu sein ist aber auch ein Muss für die verschiedenen Kunststücke.

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Kunstradfahren erfordert bestimmt auch eine hohe Konzentration. Machst du auch „Gehirn-Jogging“, also mentale Fitness?

Gezielt trainiere ich es nicht. Ich gehe aber häufig meine Übungen und mein Programm für den Wettkampf durch – so gut wie jeden Abend.

Kannst du uns einen Einblick in dein Training geben?

Training in der Halle habe ich vier Mal in der Woche. Wir sind eine coole Mädels-Gruppe. Mit denen bin ich super befreundet (grinst). Unser Training startet mit einem kurzen Aufwärmen, bei dem wir uns austauschen und einer Dehnroutine. Dann fahren wir grundlegende Übungen ein, bevor ich einen Wettkampf simuliere. Meine Mutter bewertet dann auch wie eine Wettkampfrichterin. So habe ich mein Ergebnis und kann mich daran orientieren. Anschließend wiederhole ich die Tricks, die nicht so gut funktionierten. Muskelaufbau trainiere ich dann noch bei der Physio. So trainieren wir aktuell während einer Wettkampfsaison. Danach üben wir neue Tricks und das Training ist insgesamt etwas lockerer. Die Wettkampfvorbereitung startet dann wieder ab den Herbstferien.

Hast du auch einen „Signature Move“, der dich auszeichnet?

Handstand! … habe ich früh gelernt, schon mit 13 Jahren. Den bin ich direkt gefahren und der liegt mir richtig gut.

Wie schaffst du das im Handstand zu fahren, ohne Angst zu haben?

Die Angst kann ich mittlerweile gut wegstecken, weil ich das schon so lange mache und in über acht Jahren ist einfach das Radgefühl vorhanden. Man lernt aber auch, wie man sicher abspringt. Das gibt Sicherheit. Ganz am Anfang werde ich bei den Übungen festgehalten und mache sie erst alleine, wenn sie wirklich sicher sitzen. Aber trotzdem habe ich manchmal noch etwas Angst, wenn es wackelt.

Wie kann man sich eine solche Sicherung vorstellen?

Anfangs ist eine Hand am Oberarm und eine Hand am Fahrrad. Ich werde auch oft am Gürtel gehalten. Meine Mutter fasst dann in diesen Gürtel, um mich an sie zu ziehen oder mich wegdrücken zu können. Es gibt auch die Möglichkeit, an einem Seil von der Decke mit einem Klettergürtel gesichert zu werden. Zum Beispiel wenn ich vom Sattel auf den Lenker im Fahren springe. Das ist relativ gefährlich. Wenn du nicht genau den Lenker triffst, liegst du im Rad. An dem Seil kann meine Mutter mich dann theoretisch hochziehen.

Wie bereitest du dich mental auf Wettkämpfe vor, hast du ein Ritual?

Rituale habe ich keine. Ich trage aber schon mal das gleiche Einfahrtop. Wir haben Glückssocken geschenkt bekommen, die trage ich auch oft. Ansonsten rede ich viel mit meiner Mutter oder mit meinen besten Freundinnen. Die sind immer mit dabei, weil sie auch in meinem Verein sind. Sie wissen, wie es mir vom Kopf her geht und können mir das ansehen. Ich versuche mich vor Wettkämpfen zu fokussieren, gehe alles durch und hoffe, dass es klappt. Manchmal habe ich die mentale Stärke auf einem Wettkampf, manchmal aber eben nicht ganz.

Welches war dein denkwürdigstes Erlebnis als Kunstradfahrerin?

Ich habe mir zwei Mal den Fuß gebrochen – immer kurz vor der Deutschen Meisterschaft – und hatte die Angst, nicht fahren zu können. Zum Glück hat es dann doch geklappt und ich bin mit angebrochenem Fuß Deutsche Meisterin geworden (strahlt). Das Jahr darauf konnte ich den Titel verteidigen, was sehr denkwürdig für mich war, weil es echt knapp wurde und es mir mental nicht so gut ging. Trotzdem habe ich es geschafft, erneut Deutsche Meisterin zu werden. Dieses Jahr stand ich bei den „Junior Masters“ im Finale – dort fahren nur die Top 3. Es war für mich mega schön, dass auch erleben zu dürfen.

Wie gehst du generell mit Rückschlägen um?

Als die Hallen in Coronazeiten geschlossen waren, war das eine schwierige Zeit. Was macht ein Kunstradfahrer, wenn er nicht aufs Kunstrad kann. Aber ich habe die Zeit für Online-Krafttraining genutzt und den Handstand gelernt. Ich hole dann einfach das Beste aus der Situation heraus.

Wie wichtig ist die Wahl des Fahrrads für den Erfolg im Kunstradfahren?

Es gibt keinen riesigen Unterschied zwischen den verschiedenen Marken der Kunsträder. Entscheidend ist, woran man gewöhnt ist und womit man zurechtkommt. Die Reifen müssen gut laufen und das Fahrrad sollte gut Instand sein. Der Rest kommt von selbst.

Wie genau lenkst du?

Wenn ich auf dem Sattel oder auf dem Lenker stehe, kann ich durch die Füße lenken. Gebe ich nach links mehr Druck, fahre ich nach innen. Oder ich bewege die Hüfte im Sitzen und lenke dadurch. Beim Handstand kann ich die Fahrtrichtung mit den Händen steuern.

Welche Rolle spielt die Teamarbeit im Kunstradfahren?

Eine sehr große Rolle. Die Freundschaften, die ich durch den Sport geschlossen habe, sind super. Ich habe sie in ganz Deutschland. Das ist auch für den Sport wichtig. Würde man nur sein Ding durchziehen, wäre das nur halb so schön. Ich fahre mit meiner Partnerin Ella im Team zu zweit. Das macht viel Spaß, da fahren wir ohne Leistungshintergrund – ein super Ausgleich zum Wettkampfmodus, den ich allein fahre.

Welche Zukunftsvision hast du für das Kunstradfahren und was wünschst du dir für die Sportart?

In den nächsten Jahren möchte ich gerne die Europameisterschaft mitfahren. Wenn ich erwachsen bin, wäre mein Ziel, Weltmeisterin zu werden oder zumindest an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Für die Sportart wünsche ich mir, dass sie bekannter wird. Kunstradfahren ist eine Randsportart. Ich werde oft gefragt, was das ist. Ich stecke so viel Arbeit in den Sport, genau wie viele andere auch. Die Sportart hätte es echt verdient, groß rauszukommen. Wäre ich in einer anderen Sportart Deutsche Meisterin, dann würden mich vielleicht mehr Leute kennen, aber Kunstradfahren hat leider nicht die Reichweite. Ich versuche das aber über Instagram, da habe ich mir auch schon eine gewisse Reichweite aufgebaut und vielleicht wird es doch noch irgendwann olympisch.

Antonia Blome auf Instagram:  @toni_artistic_cycling 

Steckbrief Antonia Blome

Sportart: Kunstradfahren
Verein: Liemer RC. 1994 e.V.
Trainer: Wibke Blome

Erfolge:

2024: NRW-Meisterin U19

2023 und 2022: Deutsche Meisterin U15

Das Interview erschien zuerst im Magazin Wir im Sport des LSB NRW // Fotos und Video: © LSB NRW / Bowinkelmann