30. März 2023
„Wir haben Engagement in der DNA“
Die „Initiative Ehrenamt“ (www.sportehrenamt.nrw) des Landessportbundes NRW hat in einem besonderen Schwerpunkt die vielen engagierten Mädchen und Frauen in den Vereinen ins Rampenlicht gerückt. WestLotto ist neben der Landesregierung der größte Förderer dieser Initiative. Bereits 2020 führte das LSB-Magazin „Wir im Sport“ dazu ein Gespräch mit WestLotto-Geschäftsführerin Christiane Jansen.
Frau Jansen, Sie sind selbst ehrenamtlich im International Social Environmental Volunteering engagiert. Erzählen Sie uns ein wenig darüber…
Ich beteilige mich – wenn es irgendwie geht – einmal im Jahr in meinem Urlaub an Projekten, die mit Freiwilligenarbeit verbunden sind. Um ein Beispiel herauszugreifen: Ich war in Zambia mit einem Bücherbus unterwegs für Menschen, die in Dörfern leben. Alles unter sehr einfachen Bedingungen, wir zelten oder übernachten in Schlafsälen. Das Engagement erdet mich immer wieder, und ich lerne viel daraus, auch für meinen Alltag im Berufsleben. Gerade junge, ehrenamtlich engagierte Menschen sind unglaublich spannend. Sie investieren Zeit und Energie und arbeiten in Ländern, in denen die Bedingungen sehr schwierig sind. Davor ziehe ich den Hut.
WestLotto ist der Unterstützer des Sports in NRW. Warum liegt Ihnen der Sport so am Herzen?
Wir haben als Unternehmen Gemeinschaft und Engagement in der DNA. Über 40 Prozent unserer Einnahmen führen wir über das Land NRW an die Gesellschaft und an das bürgerschaftliche Engagement ab. Zu unseren Destinatären gehören die Bereiche Kultur, Soziales und vor allem auch der Sport. Sport ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft enorm wichtig, er stiftet Sinn, Zusammenhalt und Identität. Beim Sport treffen sich Menschen, und sie tun am Ende des Tages auch etwas für ihre Gesundheit. Deshalb unterstützen wir ihn sehr gerne.
Ausdruck findet das auch in der Förderung der LSB-Initiative Ehrenamt. Sind Sie von der Initiative überzeugt?
Ja, denn das Thema Ehrenamt verdient es, besonders hervorgehoben zu werden. Manchmal mäandert es etwas weg, man findet das Engagement im Ehrenamt selbstverständlich und vergisst, wie viel Zeit und Herzblut von Menschen dort hineinfließen. Ich finde es notwendig, den Fokus darauf zu richten und zu würdigen, dass Menschen sich in ihrer Freizeit für andere einsetzen.
2020 ist für den LSB – wenn man so will – das Jahr der Frau. Glauben Sie, dass es notwendig ist, weibliches Engagement besonders zu unterstreichen?
Auch hier ein klares Ja. In der Wahrnehmung sind Frauen – auch im Ehrenamt – häufig noch unterrepräsentiert. Oft stimmt das mit Realität gar nicht überein, zumindest wenn es um das breite Engagement in der Fläche geht. In der Führungsetage ist das anders, dessen bin ich mir bewusst. Gerade junge Frauen und Mädchen sollten motiviert werden, ins Ehrenamt zu gehen und sich auch etwas zu trauen. Oft hinterfragen sich Frauen zu kritisch, ob sie das überhaupt können. Das ist auch der Unterschied gegenüber Männern, die in der Regel etwas seltener an sich selbst zweifeln. Diese Vorbehalte sollten die Frauen nicht haben.
„Authentizität ist sehr wichtig. Genauso wichtig ist der Mut, auch in Diskussionen zu gehen: Streit ist nichts Schlimmes. Es wird um den richtigen Weg gestritten.“
Christiane Jansen, Geschäftsführerin WestLotto
Sie haben den Ehrenamtcheck (–> ehrenamtcheck.de) ins Leben gerufen, bei dem man online prüfen kann, welcher Ehrenamtstyp man ist, was am besten zu einem passen könnte. Worum geht es beim Check und wie profitieren die Vereine?
Es gibt ja unglaublich viele Menschen, die sich gerne einsetzen würden, aber leider nicht genau wissen: Was passt denn eigentlich zu mir? Wofür eigne ich mich? Was kann ich am besten? Der Check liefert eine Vorsortierung und gibt Auskunft über besondere Stärken. Der Test ist auch hervorragend geeignet für Interessenten an einem Ehrenamt im Sport…
1928 war der Mittelstreckenlauf bei den Olympischen Spielen wegen „unzumutbarer Erschöpfungszustände“ für Frauen gestrichen. Heute kann davon keine Rede mehr sein…
Ich war letztes Jahr bei einem Freiwilligeneinsatz in Costa Rica. Da traf ich eine Biathletin und kann nur sagen: Diese Sportart hat es in sich. Für die junge Athletin hätte die Perspektive des letzten Jahrhunderts geradezu absurd geklungen. Auch wir schütteln heutzutage nur den Kopf darüber. Gegenüber früher hat sich also sehr viel getan, gar nicht zu vergleichen. Und doch gibt es noch einiges zu tun.
Nämlich?
Frauen werden immer noch unterschätzt. Sie erfahren oft noch immer nicht die Wertschätzung, die ihnen gebührt. Das gilt auch für das Berufsleben. Ich bin aber hoffnungsvoll, gerade wenn ich mir jüngere Kolleg*innen anschaue.
Nehmen wir an, jemand bewirbt sich bei Ihnen und in den Unterlagen fänden sich einige ausgezeichnete Zeugnisse über ehrenamtliches Engagement im Sportverein. Wie schauen Sie auf eine solche Bewerbung: Nett, aber fachlich irrelevant, oder sorgt das für einen Aha-Effekt?
Wir schauen natürlich im ersten Blick auf die Qualifikation. Ist diese erste Hürde genommen und im Wettbewerb steht jemand, der Ehrenamtler*in im Sport ist, dann nehmen wir dieses Signal deutlich wahr: Da ist jemand, der engagiert ist und im Team arbeiten kann, der mit unterschiedlichen Menschen umgehen und sich in Hierarchien behaupten kann. Also ja, eine ehrenamtliche Tätigkeit ist ein echtes Asset, das eine Bewerberin oder ein Bewerber einbringt!
Was würden Sie jungen Frauen raten, sollten sie Qualitäten einsetzen, die als spezifisch weiblich gelten?
Ich habe letztens einen Artikel gelesen, in dem die Autorin dafür plädiert, dass Frauen im Job „männlicher“ werden sollen. Diese Auffassung teile ich nicht. Frauen haben andere Stärken als Männer. Ich persönlich bin immer gut damit gefahren, bei mir zu bleiben und nicht zu schauen, wie machen es die Jungs. Authentizität ist sehr wichtig. Genauso wichtig ist der Mut, auch in Diskussionen zu gehen: Streit ist nichts Schlimmes. Es wird um den richtigen Weg gestritten. Und deshalb rate ich Frauen, bei sich selbst zu bleiben und das dann auch durchzuziehen.
Die Zahlen sind ernüchternd: In den Vorständen z.B. großer Technologiefirmen (als innovative Treiber der Wirtschaft) sind weniger als sechs Prozent weiblich. Ist Ihrer Meinung nach Frauen in der Wirtschaft die Höhenluft zu dünn?
Mit Blick auf WestLotto: In der Beschäftigtenebene sind die Zahlen fast ausgeglichen. Aber bei der Führungsebene gibt es in vieler Hinsicht noch Nachhol- und Unterstützungsbedarf. Wir haben bei WestLotto zudem einen starken IT-Anteil. Da ist das Ungleichgewicht besonders zu spüren. Ich habe allerdings noch kein richtiges Rezept, wie es gelingen kann, Frauen mehr für Technologie und Naturwissenschaft zu begeistern. Aber wir sind dran!
Im Sport sehen die Fakten so aus: Nur 13 von 126 Mitgliedsorganisationen werden derzeit in NRW von Frauen geführt. Die Sportplakette als hohe Auszeichnung im NRW-Sport wurde 907 Mal verliehen – 18 Prozent der Preisträger*innen waren Frauen. Weibliche Schiedsrichter sind rar…
…und wenn jemand wie Bibiana Steinhaus in der Bundesliga pfeift, dann steht sie unter besonderer Beobachtung, jede Entscheidung wird besonders hinterfragt. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Strukturen schaffen, die auch für Frauen funktionieren. Das gilt sicher auch im Sport.
Kann der Sport von der Wirtschaft lernen?
Nehmen wir das Beispiel Führung in Teilzeit. Das ist bei uns immer ein großes Thema. Die Unternehmen müssen sich gezwungenermaßen damit beschäftigen, welche (Arbeits-) Strukturen vorhanden sein müssen, damit Frauen qualifiziert arbeiten und Führung übernehmen können. Neue Modelle sind da notwendig. Unternehmen und ihre Mitarbeiter*innen müssen zudem auf solche Veränderungsprozesse vorbereitet werden. Von diesen Prozessen könnten die Sport-Verantwortlichen möglicherweise lernen. Aber es gilt auch andersherum: Ich glaube, dass auch die Wirtschaft in vielen Bereichen vom Sport lernen kann. Das betrifft Punkte wie Teamfähigkeit, Gemeinschaft oder das Kämpfen für die gute Sache. Wir haben im Unternehmen einige Sportler*innen. Und ich kann sagen: Wir profitieren von diesen Menschen sehr!
Die fünf besten amerikanischen Orchester hatten jahrzehntelang einen Frauenanteil von insgesamt fünf Prozent. Beim Vorspielen vor den männlichen Jurys fielen die Kandidatinnen regelmäßig durch. Offenbar waren Frauen die schlechteren Musiker. Oder doch nicht? Als eine der Jurys nicht mehr sehen konnte, ob ein Mann oder eine Frau spielte, stieg die Quote plötzlich dramatisch an. Alles, was es dazu brauchte, war ein Vorhang. Sollten in Vorstellungsgesprächen Vorhänge aufgezogen werden?
(lacht) Ich stelle es mir in der Praxis schwierig vor. Für ein Orchestervorspiel ist es leicht, den Kandidaten oder die Kandidatin hinter einen Vorhang zu setzen, doch in einem ganz normalen Unternehmen ist der Bewerbungs- und Beförderungsprozess etwas vielschichtiger. Aber Ihr Beispiel zeigt natürlich, dass man oft Verknüpfungen zwischen Geschlecht und Fähigkeiten hineininterpretiert. Das zeigt, dass wir an vielen Stellen Nachholbedarf haben. An diesem Schubladendenken müssen wir alle arbeiten…
Sollte Frauenförderung eigentlich Chefsache sein? Und was ist, wenn der Chef ein Mann ist?
Ich kenne genügend Männer und Kollegen, die ein veritables Interesse daran haben, dass Frauen die beste Förderung erfahren. Es ist im ureigensten Interesse jedes Unternehmens, alle seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal zu entwickeln und kein Potential liegenzulassen Doch es ist nicht immer einfach und es gibt auch Widerstände, das gestehe ich ein!